Mit adaptiven Lernsystemen zu mehr individuellem Feedback?
Ganz unabhängig von der Schulform – sobald mehrere Schüler*innen zusammen im Unterricht sitzen, muss sich die Lehrkraft auf Heterogenität einstellen. Der anspruchsvolle Umgang mit Heterogenität also dem ungleich verteiltem Vorwissen, unterschiedlichen
Fähigkeiten und Interessen zählt damit zu den alltäglichen Herausforderungen des Unterrichtens.
Digitale Medien können beim Umgang mit Heterogenität ein hilfreiches Werkzeug sein, um Schüler*innen in individuellen Lernphasen zu unterstützen. Adaptive Lernsysteme, wie beispielsweise sogenannte Intelligente tutorielle Systeme
(ITS), passen ihre Instruktionsstrategien individuell an den Schüler bzw. die Schülerin an und sind in der Lage, passgenaues Feedback, adäquate Lerninhalte sowie Erklärungen und Hilfestellungen zu leisten.
Ob solche adaptiven Lernsysteme tatsächlich auch zu besseren Lernergebnissen führen als andere didaktische Verfahren, untersuchten die Autor*innen Ma und Kolleg*innen, (2014) in ihrer Metaanalyse.
Unter adaptiven Lernsystemen werden computergestützte Lernprogramme verstanden, die sich dem Leistungsstand der Schüler*innen anpassen, indem sie zunächst deren Lernstand und -fortschritte automatisch diagnostizieren. Auf Basis dieser Diagnostik werden
dann passende Lerninhalte und Methoden (z.B. Feedback, Prompts, etc.) ausgewählt und den Schüler*innen innerhalb des Lernprogramms bereitgestellt.
Dabei geht es allerdings nicht um die Anpassung des Lehrangebots an sogenannte “Lernstile”, also die Anpassung der Darstellungsform an indiviuelle Präferenzen. Dies hat sich in der Forschung überwiegend als
unrelevant für den Lernerfolg herausgestellt.
Einer der Vorteile von adaptiven Lernsystemen ist, dass Lehrkräfte im System eine schnelle Übersicht darüber haben, welche Schülerin oder welcher Schüler welche Aufgaben bereits bearbeitet hat. Als besonders wichtig wird darüber hinaus empfunden, dass
so auch festgestellt werden kann, welche Aufgaben den Schüler*innen Probleme bereiten. Auf Basis dieser Diagnose kann der Unterricht dann zielgenau nachgesteuert werden.
Lernende können sich bezüglich ihres Vorwissens, ihrer kognitiven Fähigkeiten, ihrer Interessen sowie ihrer Motivation unterscheiden. Um Lernen für alle zu ermöglichen, kann daher nicht nach der Devise „one serves all“ unterrichtet werden. Damit ein möglichst
großer Lernerfolg erzielt werden kann, sollte der Unterricht demgegenüber möglichst passgenau auf einzelne Schüler*innen abgestimmt sein. Bei dieser anspruchsvollen Aufgabe können adaptive Lernsysteme helfen. Mit
dem unterstützenden Einsatz der Lernsysteme im Unterricht oder außerhalb – etwa bei den Hausaufgaben – können Lehrkräfte schnell ausfindig machen, welche Schüler*innen von welcher Art der weiteren Unterstützung
profitieren könnten. Entsprechend ist einer der Vorteile adaptiver Lernsysteme, dass eine große Anzahl an Schüler*innen gleichzeitig diagnostiziert werden können, ohne dass dabei ein großer Mehraufwand für die Lehrkraft
besteht. Die Diagnosen des Systems kann die Lehrkraft dann im weiteren Unterrichtsverlauf nutzen.
Eine aktuelle Forschungssynthese von Ma und Kolleg*innen, (2014) systematisiert die bisherigen Forschungsbefunde zu adaptiven Lernsystemen und Lernerfolgen von Schüler*innen.
Das Review ❯❯
Das Review
“Intelligent tutoring systems and learning outcomes: A meta-analysis“ (von Ma et al., 2014)
In der Metaanalyse wurden Studien systematisch zusammengeführt und ausgewertet, die untersuchen, inwiefern sich die Nutzung adaptiver Lernsysteme im Vergleich zu anderen, nicht-computergestützten didaktischen Ansätzen auf das Lernen
von Schüler*innen auswirkt.
verglichen wurden...
Lernende, die mit adaptiven Lernsystemen lernten
mit...
Lernende, die ohne adaptive Lernsysteme lernten
In der Metaanalyse wurden zunächst 107 Studien mit insgesamt 14 321 Lernende zusammengetragen und untersucht. In diesen Studien wurden Lernergebnisse von Schüler*innen, die mit adaptiven Lernsystemen
lernten mit Lernergebnissen von Schüler*innen, die ohne adaptive Lernsysteme lernten, verglichen.
„Eignen sich adaptive Lernsysteme um das Lernen zu unterstützen?“
Über alle Studien hinweg zeigte sich, dass Schüler*innen mit der Unterstützung adaptiver Lern- und Instruktionssysteme bessere Lernergebnisse erzielten als Lernende, die ohne
adaptive Lern- und Instruktionssysteme arbeiteten.
Dieser positive Effekt lässt sich jedoch vor allem für das Unterrichten von Großgruppen feststellen. Das Lernen in Kleingruppen mit weniger als acht Personen oder in Einzelunterricht scheint nicht in gleichem Maße von
dem Einsatz adaptiver Lernsysteme zu profitieren und ist daher weniger sinnvoll.
„Hängt der Lernerfolg davon ab wie die adaptiven Lernsysteme eingesetzt werden?“
Unabhängig davon, auf welche Art und Weise adaptive Lernsysteme im Unterricht eingesetzt wurden, hatten sie in den vorliegenden Studien einen positiven Effekt auf die Lernleistungen der Schüler*innen. Basierend auf
den Ergebnissen der Studien ist es nicht notwendig, ganze Unterrichtsstunden oder Unterrichtseinheiten mit adaptiven Lernsystemen zu gestalten. Schon der gezielte Einsatz dieser Systeme für einzelne Aufgaben kann sich positiv
auf den Lernerfolg der Schüler*innen auswirken.
„Hängt der Lernerfolg davon ab in welchem Fach die adaptiven Lernsysteme eingesetzt werden?“
Über alle Studien hinweg zeigte sich, dass sich in den untersuchten Fächern adaptive Lernsysteme positiv auf die Lernergebnisse von Schüler*innen auswirken. Dabei gab es kaum Unterschiede zwischen den Fächern hinsichtlich
der Effektivität adaptiver Lernsysteme.
Qualität des Reviews
Was überzeugt?
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Es wurde sichergestellt, dass keine Verzerrung der Ergebnisse vorliegt wie bspw. durch die Bevorzugung von statistisch signifikanten Studien.
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Die Autor*innen haben ihr Vorgehen bei der Auswahl und Analyse der Studien transparent beschrieben. Lesende können daher den Aufbau der Metaanalyse gut nachvollziehen.
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Der Einbezug verschiedener Schulformen und Schulfächer führt zu einem breiten Überblick über die Forschungslandschaft zum Einsatz adaptiver Lernsysteme.
Was muss beachtet werden?
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Der Großteil der aufgenommenen Studien stammt aus dem US-amerikanischen Raum. Es muss noch überprüft werden, ob sich die Ergebnisse auf das deutsche Bildungssystem übertragen lassen.
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Auf welche Art und Weise die Überprüfung der Lernergebnisse der Schüler*innen erfolgte, wurde ungenügend transparent dargestellt.
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Da ein Großteil der Studien sich auf den universitären Kontext bezieht, muss die Übertragbarkeit auf den schulischen Kontext gesondert betrachtet werden.
Implikationen für die Praxis ❯❯
Quelle
Ma, W., Adesope, O. O., Nesbit, J. C., & Liu, Q. (2014). Intelligent tutoring systems and learning outcomes: A meta-analysis. Journal of Educational Psychology, 106 (4), 901-918.
https://doi.org/10.1037/a0037123